Vater mit Töchtern

Der stille Kampf moderner Väter

Die neue Vaterrolle zwischen Erwartung und Realität

Der ständige Balanceakt zwischen Arbeit und Zuhause, der Druck, allem und allen gerecht zu werden – das lässt oft kaum Raum oder Energie für anderes.

Ich möchte heute über ein Thema sprechen, das mir sehr am Herzen liegt: den inneren und äußeren Kampf vieler moderner Väter.

Vatersein als Vollzeitjob: Zwischen Liebe und Erschöpfung

Ich finde es unglaublich wichtig, dass wir auch mal bei den Vätern nachfragen: „Wie geht’s dir wirklich?“ Ich spreche da aus eigener Erfahrung, die Umstellung aufs Vatersein war für mich eine große Herausforderung. Nicht falsch verstehen: Ich liebe es, Papa zu sein – mehr als alles andere. Und genau darin liegt oft das Problem.

Die neue Vaterrolle verlangt nicht nur Präsenz im Familienalltag, sondern auch emotionale Verfügbarkeit, Mitdenken und Mittragen – und das parallel zur Karriere, zu Alltagspflichten und dem eigenen Anspruch, alles richtig machen zu wollen.

Karriere, Kinder, keine Pause – wo bleibt die Entlastung?

Ich arbeite oft von zu Hause. Der Arbeitstag endet meistens direkt mit dem Beginn meines „zweiten Jobs“ als Papa. Und ja – ich liebe das. Aber es ist auch wahnsinnig anstrengend. Es gibt kaum Entlastung. Meine Partnerin und mein Kind bedeuten mir alles, und ich will alles geben – doch ich spüre auch, wie viel ich dafür von mir selbst aufgebe. Der Anspruch, ob von außen oder aus mir selbst heraus, ist, in jeder Rolle 100 % zu geben. Manchmal habe ich das Gefühl, nur noch auf Reserve zu laufen, aber ich mache weiter. Weil es eben erwartet wird.

Ein Freund sagte kürzlich zu mir: „Ich arbeite so hart wie nie, bin so gut wie nie, verdiene so viel wie nie – und habe trotzdem so wenig Geld wie noch nie.“ Das hat gesessen. Es bringt die Widersprüche dieser Lebensphase auf den Punkt: Du wächst über dich hinaus und hast dennoch das Gefühl, ständig hinterherzuhinken – nicht nur finanziell, sondern auch emotional.

Warum Väter oft im Stillen leiden

Und ich bin nicht allein. Fast die Hälfte aller Väter in England (48 %) gibt an, dass es ihrer mentalen Gesundheit nicht gut oder sogar sehr schlecht geht – doppelt so viele wie noch 2023. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Väter, die sich trotz psychischer Probleme keine Hilfe holen, ebenfalls verdoppelt (von 6 % in 2022 auf 15 % in 2024).
(Quelle: Fathers Network Scotland, Parenting Across Scotland)

Wichtig: Das ist kein Wettbewerb zwischen Müttern und Vätern. Ich sehe bei meiner Partnerin jeden Tag, was für eine unglaubliche Leistung Elternschaft ist. Aber ich finde, wir leben in einer Gesellschaft, in der Männer oft nicht sagen dürfen: „Mir geht’s nicht gut.“ Es fühlt sich falsch an, Schwäche zu zeigen, vor allem, wenn man sieht, wie stark die eigene Partnerin all das meistert. Und so schweigen viele. Auch wenn es in ihnen brodelt.

Aktuelle Zahlen: Mentale Gesundheit von Vätern im Fokus

38 % der frischgebackenen Väter in UK sorgen sich um ihre psychische Gesundheit. Rund 10 % der Männer durchleben im sogenannten perinatalen Zeitraum (von der Schwangerschaft bis ein Jahr nach der Geburt) eine Phase mit ernsthaften mentalen Problemen.
(Quelle: GOV.UK, Men’s Health)

Gerade in dieser sensiblen Phase sind Tipps für werdende Väter wertvoll – nicht nur praktische To-dos, sondern auch ehrliche Gespräche, emotionale Begleitung und konkrete Hilfestellungen für den Alltag.

Vaterschaft heute: Zwischen Vorbildsuche und Identitätswandel

Wenn ich an meinen eigenen Vater denke, sehe ich, wie sehr sich das Vaterbild verändert hat. Mein Papa war ein liebevoller Vater, aber in meiner frühen Kindheit kaum präsent – so wie viele Väter seiner Zeit. Er sagt heute noch lachend, dass er nie eine Windel gewechselt hat. Und das zeigt, wie stark sich die Rolle des Vaters gewandelt hat.

Vaterschaft heute bedeutet nicht nur „anwesend sein“, sondern wirklich mitgestalten, begleiten, mitfühlen. Diese Väter der Moderne sind nicht nur Versorger, sondern echte Bezugspersonen im Alltag ihrer Kinder. Diese neue Vaterrolle ist erfüllend, aber auch fordernd. Ich versuche, vieles anders zu machen als meine Eltern. Aber ich merke auch: Für diese neue Form von Vaterschaft fehlen uns oft Vorbilder.

Väter der Moderne: Viel Verantwortung, wenig Raum für sich selbst

Mit mehr Verantwortung kommt auch mehr Verzicht. Und das betrifft nicht nur Hobbys. Auch Freundschaften leiden. Man sieht seine Freunde kaum noch. Die Familie steht an erster Stelle – so soll es sein – aber es bleibt das Gefühl, sozial zu vereinsamen. Und das, obwohl man von den Menschen umgeben ist, die man am meisten liebt.

Wer bin ich noch – außer Papa?

Das Schwierigste ist vielleicht die Frage nach der eigenen Identität. Gibt es den „alten Adam“ noch, oder muss ich mich neu kennenlernen? Was macht mir eigentlich noch Freude – unabhängig vom Vatersein? Wer sind meine Freunde? Es fühlt sich manchmal an wie ein Verlust des eigenen Ichs. Oder ist es vielleicht eine Fokussierung auf das, was wirklich zählt? Ich bin noch auf der Suche nach der Antwort.

Arbeit & Familie: Warum echte Vereinbarkeit noch fehlt

Ich habe das Glück, flexibel arbeiten zu können. Aber die Grenzen verschwimmen. Die Erwartung, beruflich zu glänzen und zu Hause voll da zu sein, ist groß. Viele Unternehmen haben ihre Policies verbessert – aber es bleibt Luft nach oben, wenn es darum geht, Vätern wirklich den Rücken zu stärken.

Ein ehrliches Danke an alle, die Papa sind

An alle Papas da draußen: Ich bin stolz auf euch. Ihr meistert das Vatersein in einer neuen Zeit, unter neuen Bedingungen und mit neuen Anforderungen – und ihr wachst daran. Es ist okay, sich dabei manchmal zu verlieren. Es ist okay, erschöpft zu sein. Aber: Bitte leidet nicht im Stillen. Ihr seid damit nicht allein.