Große Gefühle bei kleinen Menschen: Was tun, wenn dein Kind austickt?
Mal ehrlich: Man fühlt sich nicht gerade wie ein gelassener Erwachsener, wenn das eigene Kind bäuchlings im Supermarkt liegt und brüllt, nur weil das Toastbrot in Dreiecke statt in Quadrate geschnitten wurde. Wenn du schon mal mit einem Gemüsestick dein tobendes Kind in der Tesco-Filiale besänftigt hast – herzlichen Glückwunsch, du bist definitiv ein Elternteil.
Kinder haben große Gefühle – und sie zeigen sie. Oft laut. Und gern in aller Öffentlichkeit. Langfristig willst du ihnen beibringen, mit diesen Gefühlen umzugehen. Kurzfristig willst du einfach nur alle mit Schuhen und halbwegs intaktem Stolz aus dem Haus kriegen.
Was also tun, wenn dein Kind völlig durchdreht? Wie hilfst du ihm, emotional stark zu werden – ohne selbst die Nerven zu verlieren?
1. Erst wahrnehmen, nicht gleich lösen
In einem beeindruckenden TED-Talk spricht Psychologin Susan David über den Zulu-Gruß sawubona, der bedeutet: „Ich sehe dich – und indem ich dich sehe, existierst du für mich.“
Das kannst du dir für Meltdown-Momente merken: Du musst das Problem nicht sofort lösen – sieh dein Kind erst mal. Sag zum Beispiel:
„Du bist richtig wütend gerade. Das kann ich gut verstehen.“
Das wird das Geschrei nicht sofort beenden – aber dein Kind merkt: Seine Gefühle sind bei dir sicher.
2. Lass den Zwang zur Positivität los
„Normale Gefühle werden heute oft als gut oder schlecht bewertet“, sagt David. „Und positiv zu sein gilt als moralisch überlegen.“
Niemand erwartet von dir, dass du nach drei Stunden Schlaf strahlend gelaunt bist. Aber es hilft deinem Kind enorm zu wissen: Es ist okay, auch mal wütend, traurig oder frustriert zu sein.
Statt „Du bist doch okay!“ oder „Jetzt hör auf zu weinen!“ sag lieber:
„Ich sehe, dass du traurig bist. Möchtest du eine Umarmung oder lieber etwas Ruhe?“
(Tipp: Im Supermarkt helfen manchmal auch ein Eis und eine feste Umarmung. Das ist keine Schwäche – das ist kluge Improvisation.)
3. Sei der Ruhepol – oder tu zumindest so
Das ist schwer. Du bist spät dran, dein Kind hat dich mit dem Rucksack erwischt und dein Stresslevel ist am Anschlag. Aber: Emotionale Selbstregulation lernen Kinder, indem sie sie bei uns sehen.
Atme tief durch, sprich ruhig, mach dich körperlich klein. Sag zum Beispiel:
„Das ist gerade echt schwer für dich. Ich bin hier. Wollen wir zusammen atmen?“
Oder sag gar nichts – geh auf Augenhöhe, zeig mit deiner Mimik Ruhe und Sicherheit.
Und: Du wirst das nicht immer perfekt hinkriegen. Muss auch nicht.
4. Kurzfristige Ruhe vs. langfristige Entwicklung
Susan David bringt es auf den Punkt:
„Schwierige Gefühle gehören zum Leben dazu… Unangenehmes ist der Preis für ein sinnvolles Leben.“
Dein Kind lernt gerade: Gefühle sind normal – und man kann sie überstehen. Du bist sein Übungsfeld dafür.
Aber: Im echten Alltag willst du manchmal einfach nur pünktlich zur Kita kommen, ohne eine halbe Stunde über Socken zu diskutieren.
Beides ist okay. Du machst das gut.
5. Wähle den richtigen Moment (Spoiler: nicht im Supermarkt)
Mitten im Drama in Gang vier wird niemand etwas lernen. Emotionale Entwicklung passiert später – wenn alle wieder runtergekommen sind.
Dann kannst du sagen:
„Weißt du noch, als du vorhin wegen der Jacke so sauer warst? Das war ganz schön schwer. Was könntest du beim nächsten Mal anders machen?“
Übung hilft. Und vor allem hilft Verbindung. Je mehr dein Kind sich gesehen fühlt, desto sicherer darf es alle Gefühle zeigen.
Kurzfassung:
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Große Gefühle deines Kindes machen dich nicht zu einer schlechten Mutter oder einem schlechten Vater.
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Ein Eis zur Beruhigung ist keine Kapitulation.
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Und jedes Mal, wenn du innehältst, tief durchatmest und sagst „Ich sehe dich“, vermittelst du deinem Kind emotionale Stärke fürs ganze Leben.